In diesem Advent veröffentlichen wir Impulse etwas anderer Art:
Auf der Suche nach einer schnellen Lösung sind wir bereit, die Suche nach den richtigen Fragen aufzugeben. Das Verlangen nach schnellen Lösungen macht uns immer mehr bereit, brennende Fragen als lästige Unannehmlichkeiten abzutun. So neigen wir, sobald wir eine solche Lösung gefunden haben, dazu, die lästigen Fragen zu ignorieren, wie: Ist das der richtige Weg? Ist dies die einzige Lösung für unser Problem oder nur die schnellste? Welche Folgen wird dieser Weg haben und wer wird den Preis dafür zahlen? Primo Levi warnt uns eindringlich gegen genau diesen Moment: »Monster existieren. Aber sie sind zu wenige, um wirklich gefährlich zu sein. Gefährlicher sind die gewöhnlichen Menschen, die Funktionäre, bereit zu glauben und zu handeln, ohne Fragen zu stellen.«
Rainer Maria Rilke schrieb 1903 einen Brief an den jungen Dichter Franz Xaver Kappus: er gab ihm einen guten, wenngleich ungewöhnlichen Rat.
»Sie sind so jung, so vor allem Anfang, und ich möchte Sie, so gut ich es kann, bitten, lieber Herr, Geduld zu haben gegen alles Ungelöste in Ihrem Herzen und zu versuchen, die Fragen selbst liebzuhaben wie verschlossene Stuben und wie Bücher, die in einer sehr fremden Sprache geschrieben sind. Forschen Sie jetzt nicht nach den Antworten, die Ihnen nicht gegeben werden können, weil Sie sie nicht leben könnten. Und es handelt sich darum, alles zu leben. Leben Sie jetzt die Fragen. Vielleicht leben Sie dann allmählich, ohne es zu merken, eines fernen Tages in die Antwort hinein.«
Rilkes Rat »Leben Sie jetzt die Fragen« wird in die biblischen Geschichten bestätigt und vertieft. Die Fragen, mehr als die Gebote, entfachen eine persönliche Begegnung. Tatsächlich befragt Mose den Herrn, der sich in einem brennenden Dornbusch offenbart. Hiob hört die beunruhigenden Worte: »Auf, gürte deine Lenden wie ein Mann: Ich will dich fragen, du belehre mich!« (Hiob 38,3) Wir sollten uns mit den Fragen Gottes an die Menschheit auseinandersetzen, nicht um intellektuelle Rätsel zu lösen, sondern um eine tiefere Begegnung mit dem Herrn zu wagen. Diese Fragen, die Gott uns stellt und wir Gott stellen, führen uns an die Grenzen der Sprache, jenseits dessen, was das menschliche Herz sich vorstellen kann. Deshalb ist das Wort Gottes so oft poetisch und lädt uns ein, über das hinauszugehen, was durch wörtliche Aussagen erfasst werden kann. Fragen laden uns ein, tiefer in das Geheimnis einzutauchen.
Das ist echter Glaube, und das ist harte Arbeit. Wir leben in einer Welt, in der wir gerne darüber reden, frei zu sein, aber dann wollen, dass uns jemand sagt, was wir denken und tun sollen. Wir halten uns für Denker, die die alten, abgenutzten Geschichten der Vergangenheit durchbrochen und hinter sich gelassen haben. In Wirklichkeit haben wir Geschichten, die reich an Schichten von Sinn und Zweck sind, durch billige Pseudo-Geschichten ersetzt. Wir nahmen großartige biblische Geschichten, die uns zwangen, über einfache Antworten hinauszugehen, und ersetzten sie durch triviale Geschichten der Bequemlichkeit, immer ordentlich in ihren Schwarz-Weiß-Darstellungen und immer ohne Komplikationen.
In seinem Buch »Nacht« erzählt Elie Wiesel: »Er erklärte mir mit großer Nachdrücklichkeit, dass jede Frage eine Kraft besitze, die nicht in der Antwort liege.« Um diese Kraft zu entdecken, die nicht in der Antwort liegt, müssen wir lernen, Gott zu bitten, dass wir ihm die richtigen Fragen stellen und uns seinen wichtigen Fragen stellen. Wer weiß, welche erstaunlichen und unerwarteten Welten sich dann ergeben könnten?
Aktuelles
Angebot
Vielfalt ist die Würze des Lebens. Wie an einem reich gedeckten Tisch sollen unsere breit gefächerten Angebote möglichst vielen Menschen Nahrung und Stärkung für ihr Leben und ihren Glauben schenken.
Sprache ist von Bedeutung
Wir hungern nach einer frischen Sprache, mit der wir einander begegnen könnten. Wir hungern nach einer neuen Weise, harte Wahrheiten auszusprechen und erlösende Geschichten zu erzählen, nach einer Sprache, die erhebt und ermutigt anstatt zu erniedrigen und zu entfremden. Wir brauchen Worte mit schillernder Kraft, welche Wahrheiten aussprechen, die bloße Fakten nicht fangen können. Worte sind von Bedeutung. Sprache ist von Bedeutung. Worte berühren und bewegen. Die Sprache, die wir wählen, formt die Art und Weise, wie wir uns selbst wahrnehmen, wie wir die Welt interpretieren und wie wir andere behandeln. Sprache bleibt eine primäre Art, das Geheimnis des anderen zu berühren und das Mysterium in uns zu offenbaren.
Weil die Welt und die Kirche die anschaulichsten und transformativsten Worte brauchen, die wir auftreiben können, haben wir »L’Chaim« ins Leben gerufen. Das hebräische Wort für »Auf das Leben« nehmen wir als Motto und Leitlinie, um Worte mit Ihnen zu teilen, die das Leben stärken, wertschätzen, inspirieren, mehren und heilen.
Impulse
Gott liebt es nicht nur, unsere Geschichten zu hören, er liebt es, seine eigene zu erzählen. Und, schlicht und einfach, wir sind die Geschichte, die Gott erzählt. Unsere Leben sind die Worte, die aus seinem Mund kommen.