»Gott liebt es nicht nur, unsere Geschichten zu hören, er liebt es,
seine eigene zu erzählen. Und, schlicht und einfach, wir sind die Geschichte, die Gott erzählt. Unsere Leben sind die Worte, die aus seinem Mund kommen.
Diese Einsicht hat die religiöse Phantasie immer angefeuert und sie weigert sich, rationalisiert oder abgetan zu werden. Die Überzeugung,
dass wir die Geschichte Gottes sind, setzt Urimpulse frei und aus einer Mischung aus Trotzigkeit, Dankbarkeit und Nachahmung erwidern wir das Kompliment. 
Wir erzählen die Geschichten Gottes.« – John Shea, Stories of God

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Jede große menschliche Geste der Liebe trägt die Ewigkeit in sich.

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In allen vier Evangelien wird erzählt von einem Haus, das mit Parfüm gefüllt ist, in das eine Frau mit großem Herzen eintritt und einen kostbaren Krug in Händen hält. Aber in Mk 14, 3-9 hören wir diese Geschichte mit einem Detail, das nur Markus erzählt. »Als Jesus in Betanien im Haus Simons des Aussätzigen zu Tisch war, kam eine Frau mit einem Alabastergefäß voll echtem, kostbarem Nardenöl, zerbrach es und goss das Öl über sein Haupt.« Nur er zählt uns, dass die Frau das Alabastergefäß zerbrochen hat.

Diese Frau trägt ein Alabastergefäß mit Nardenöl, ein sehr teures Parfüm. Hier lernen wir etwas über diese bemerkenswerte Frau. (Wie wissen wir, dass sie bemerkenswert ist? Weil der Erzähler, Markus, unsere Aufmerksamkeit auf sie lenkt.) Sie kommt mit dem, was sie hat, nicht mit leeren Händen. Sie hält keine blumige Rede, hat keine schönen Worte parat, aber sie kommt mit Leidenschaft und Mut. Denn Parfüm einzusetzen ist doppeldeutig und birgt Gefahren in sich. Parfüm ist ein Symbol für den Geliebten, wird gesehen als ein duftendes Streicheln des andern, und als Zeichen der Zärtlichkeit und der Freude am anderen. Das, allerdings kann auch leicht missverstanden werden.

Als sie vor Jesus steht, zerbricht sie das Alabastergefäß mit Nardenöl. Damit macht sie ihre Geste der Liebe und der Dankbarkeit unumstößlich. Und auch die Großzügigkeit wird unumkehrbar, denn jetzt wird jeder Tropfen ausgegossen, all diese Liebe ausgegossen, ohne Berechnung und ohne Maß.

Die Parfümträgerin spricht kein Wort. Ihre Liebe ist eine stille Liebe. Sie lässt ihre Hände und ihre Gesten für sie sprechen. Das ist die Abkürzung Gottes, von der Geste zum Menschenherz, ohne Worte.

Im Haus von Simon dem Aussätzigen erleben wir diese Stille, während der Raum sich mit Duft erfüllt, als ein Zeichen für alle Häuser, die Gott betritt. Die Liebe, die wir in uns tragen, müssen wir weder erklären noch rechtfertigen. Wir müssen sie allerdings sehr wohl ausleben, ausgießen.

Am Ende erschallen Worte Jesu durchs Haus, außergewöhnliche Worte, die er sonst über niemanden spricht. Diese Worte erreichen uns und sollten uns zärtlich berühren, wie ein Segen über unsere Häuser und alle Zärtlichkeit der Liebe, die wir darin ausleben:  »Auf der ganzen Welt, wo das Evangelium verkündet wird, wird man auch erzählen, was sie getan hat, zu ihrem Gedächtnis«.

Die Wortwahl Jesus sollten wir uns merken: »zu ihrem Gedächtnis« und nicht »zu meinem Gedächtnis«. Jesus stellt sich hier nicht in die Mitte, sondern stellt die großen Gesten dieser Frau in der Mitte. Er stellt sie und ihre schöpferische, uneingeschränkte Liebe in den Vordergrund. Es ist seine Lebensunterweisung an uns: Jede große menschliche Geste der Liebe trägt die Ewigkeit in sich. Jede solche menschliche Handlung und Geste ist das Evangelium. Im Haus erleben wir die Religiosität des Lebens, das Evangelium des Hauses, des Alltags. Und dieses Evangelium des Lebens kann wieder und wieder die Räume und Begegnungen unseres Lebens mit der Freude des duftenden Parfüms erfüllen.

 

Erik Riechers SAC

Freising, den 25. April 2024

Am Fest des Evangelisten und Geschichtenerzählers Markus