»Gott liebt es nicht nur, unsere Geschichten zu hören, er liebt es,
seine eigene zu erzählen. Und, schlicht und einfach, wir sind die Geschichte, die Gott erzählt. Unsere Leben sind die Worte, die aus seinem Mund kommen.
Diese Einsicht hat die religiöse Phantasie immer angefeuert und sie weigert sich, rationalisiert oder abgetan zu werden. Die Überzeugung,
dass wir die Geschichte Gottes sind, setzt Urimpulse frei und aus einer Mischung aus Trotzigkeit, Dankbarkeit und Nachahmung erwidern wir das Kompliment.
Wir erzählen die Geschichten Gottes.« – John Shea, Stories of God

Nächster Abschnitt

Die Herausforderung der wahren Gastfreundschaft:

Martas Küche I

Als sie weiterzogen, kam er in ein Dorf. Eine Frau namens Marta nahm ihn gastlich auf. Sie hatte eine Schwester, die Maria hieß. Maria setzte sich dem Herrn zu Füßen und hörte seinen Worten zu. Marta aber war ganz davon in Anspruch genommen zu dienen. Sie kam zu ihm und sagte: Herr, kümmert es dich nicht, dass meine Schwester die Arbeit mir allein überlässt? Sag ihr doch, sie soll mir helfen! Der Herr antwortete: Marta, Marta, du machst dir viele Sorgen und Mühen. Aber nur eines ist notwendig. Maria hat den guten Teil gewählt, der wird ihr nicht genommen werden. (Lk 10, 38-42)

Jesus kennt dieses Haus in Betanien wohl sehr gut. Er genießt und wertschätzt die Gastfreundschaft, das Essen und die belebende Freundschaft, die er dort findet.

Stellen wir uns diese Szene mal vor. Die Gäste und Gastgeber sind zusammen in demselben großen Raum. Da sitzt Maria und saugt die Worte des Lehrmeisters auf. Es gibt auch die Jünger, die aufgenommen werden im Namen ihres Meisters. Marta ist eher im Hintergrund, vielleicht sogar im Nebenraum. Ihr selbsterwählter und bevorzugter Platz ist das Herdfeuer des Hauses. Damals war das Herdfeuer aufgebaut gegen die Wand, die offen zum Innenhof war. Und hier gibt es selbstverständliche Dienste zu verrichten. Es geht um mehr als Kochen. Sie muss dafür sorgen, dass das Feuer brennt und am Brennen bleibt. Natürlich schaut man auch, dass alles in die Töpfe kommt, aber es geht auch um ein Hin und Her, um ein Bedienen, um die Vorbereitung der Speisen. Auch ein Tisch wird gedeckt, was natürlich nicht im Nebenraum stattfand. Darum muss es auch ein ständiges Vorbeigehen an den gesammelten Gästen geben. All das ist ein eher realistischeres Bild der Gastfreundschaft, die Marta anbietet.

Bevor wir in der Geschichte weitergehen, sollten wir sehr genau hinschauen, worüber Jesus später mit Marta sich unterhalten möchte. Er kritisiert keineswegs ihre Gastfreundschaft oder ihre Bereitschaft, sich so für sie einzusetzen. Ein solches Bild der Gastfreundschaft ist nicht zu verachten, und Jesus ist ein großer Lehrer über die Heilsgeschichten, die aus authentischer Gastfreundschaft fließen. Er steht in einer großen biblischen Tradition die die Gastfreundschaft als etwas Göttliches verehrt.

Immerhin gibt es biblische Vorbilder für so etwas. Denken wir nur an die Geschichte von den Eichen von Mamre im Buch Genesis.

Der HERR erschien Abraham bei den Eichen von Mamre, während er bei der Hitze des Tages am Eingang des Zeltes saß. Er erhob seine Augen und schaute auf, siehe, da standen drei Männer vor ihm. Als er sie sah, lief er ihnen vom Eingang des Zeltes aus entgegen, warf sich zur Erde nieder und sagte: Mein Herr, wenn ich Gnade in deinen Augen gefunden habe, geh doch nicht an deinem Knecht vorüber! Man wird etwas Wasser holen; dann könnt ihr euch die Füße waschen und euch unter dem Baum ausruhen.  Ich will einen Bissen Brot holen, dann könnt ihr euer Herz stärken, danach mögt ihr weiterziehen; denn deshalb seid ihr doch bei eurem Knecht vorbeigekommen. Sie erwiderten: Tu, wie du gesagt hast! Da lief Abraham eiligst ins Zelt zu Sara und rief: Schnell drei Sea feines Mehl! Knete es und backe Brotfladen! Er lief weiter zum Vieh, nahm ein zartes, prächtiges Kalb und übergab es dem Knecht, der es schnell zubereitete. Dann nahm Abraham Butter, Milch und das Kalb, das er hatte zubereiten lassen, und setzte es ihnen vor. Er selbst wartete ihnen unter dem Baum auf, während sie aßen. (Gen 18, 1-8)

Genau wie Abraham die Boten Gottes bewirtet, wird hier im Haus von Marta und Maria Jesus bewirtet, genauso liebevoll und fürsorglich, genauso großzügig und wertschätzend. Wie Abraham, will auch Marta ihren Gästen nur das Feinste und Beste geben. In ihr ist ein gutes Herz, das anderen Menschen wirklich sehr viel gönnt.

Aber solche Szenen der Gastfreundschaft bergen auch Gefahren in sich. Da wir sehr hohe Erwartungen an uns selbst haben als die Gastgeber, können wir auch verstehen, dass wir dann, wie Marta, Angst haben, dass wir dieser Stunde und diesen Gästen etwas schuldig bleiben. Wie Marta, können auch wir die Angst verstehen, dass uns die Gastfreundschaft nicht gelingen könnte. Dienstbereitschaft trägt immer die Angst in sich, dass wir im Dienst versagen könnten. Dienstbereitschaft erzeugt auch Druck, denn andere warten auf uns und gleichzeitig haben sie Erwartungen an uns.

 

(Die Fortsetzung folgt.)

 

Erik Riechers SAC

Vallendar, 18. Juli 2024