»Gott liebt es nicht nur, unsere Geschichten zu hören, er liebt es,
seine eigene zu erzählen. Und, schlicht und einfach, wir sind die Geschichte, die Gott erzählt. Unsere Leben sind die Worte, die aus seinem Mund kommen.
Diese Einsicht hat die religiöse Phantasie immer angefeuert und sie weigert sich, rationalisiert oder abgetan zu werden. Die Überzeugung,
dass wir die Geschichte Gottes sind, setzt Urimpulse frei und aus einer Mischung aus Trotzigkeit, Dankbarkeit und Nachahmung erwidern wir das Kompliment. 
Wir erzählen die Geschichten Gottes.« – John Shea, Stories of God

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»Damit Shalom kein leeres Wort bleibt«

Friede sei mit euch

Frohe Ostern! Sagt man das noch, eine gute Woche nach dem Osterfest? Doch ist es nicht wunderbar, dass Ostern sich allmählich entfalten kann? Wir haben Zeit, die österliche Freude in uns wachsen zu lassen.

Brauchen wir nicht auch die Geschichten, wie es danach weitergeht?

Ich frage mich oft, wie schnell können sich Auferstehungsgeschichten in mir entfalten, wie schnell begreife ich, was da alles passiert ist. Schauen wir in die biblischen Geschichten, erfahren wir, wie traumatisiert, erschrocken und ängstlich die Freundinnen und Freunde Jesu nach dem grausamen Tod Jesus waren. Auch die Erfahrungen mit dem leeren Grab und die ersten Begegnungen mit dem Auferstandenen führten nicht direkt zur übergroßen Freude oder Erkenntnis.

Manchmal überkommt mich die Sorge, ob wir diese Phasen zu schnell ausblenden wollen. Diese schmerzhaften, langsam sich erhellenden Schritte, um die Auferstehung zu begreifen zu schnell abtun.

Kennen wir das nicht auch aus eigenen Krisen in unserem Leben? Wie lange dauert es manchmal, wenn uns etwas förmlich den Boden unter den Füßen weggezogen hat, bis wir wieder Halt und Orientierung gefunden haben?

Wie geschieht Auferstehung mitten im Leben? In unserem Leben? Was bedeutet Auferstehung für uns? Wie können wir unsere Herzen langsam erwärmen, um in die Freude der Auferstehung hineinzuwachsen?

Was mich jedes Jahr immer wieder neu berührt, sind Jesu erste Worte im Johannesevangelium, die er im 20. Kapitel dreimal wiederholt: Friede sei mit Euch!

Wir kennen diesen Friedensgruß gut aus der Liturgie in unseren Gottesdiensten. Gerne wünschen wir uns gegenseitig den Frieden. Es ist mir ein liebgewonnenes Ritual geworden.

Doch durch Ostern wird mir die Tiefe dieser Worte bewusster und sie bergen mehr als ein liebgewonnenes Ritual.

In mir nährt sich die Zuversicht, dass dieser Friede kein leeres Wort bleibt.

Dass aus der Ursprünglichkeit des Wortes Shalom mehr als ein Grußwort werden kann.

Shalom lässt sich kaum in einen einzigen Begriff von moderner Sprache pressen. Es ist eher ein Weg, den es zu gehen gilt. Mehr als ein Wunsch nach Versöhnung, Glück, Zufriedenheit, Vertrauen und Wohlergehen, doch auch dies alles gehört dazu.

Vielleicht ist Shalom eine Geistkraft oder eine große Einladung, die den inneren Frieden nähren will, damit die Verwobenheit von menschlicher Gebrochenheit und göttlicher Liebe spürbar, erfahrbar und ins Leben gebracht werden kann. Gerade in Zeiten von Krise und Hoffnungslosigkeit.

Bedenken wir, in welche Lebenssituation hinein Jesus sein Shalom spricht. Es sind die ersten Worte, die Jesus nach seiner Auferstehung zu seinen Freundinnen und Freunden spricht.

Wie hören wir dieses Shalom heute? Wie bedürftig sind wir und diese Welt nach Shalom?!

Mögen wir uns die Zeit nehmen und geben, diesem österlichen Gruß Jesu auf die Spur zu kommen.

»Damit Shalom kein leeres Wort bleibt«

Friede sei mit euch

in die abgrundtiefe Angst und Zerrissenheit

in die Verschlossenheit meines Herzens

kommst DU

du durchdringst Mauern und verschlossene Türen

kommt der Tod jetzt auch zu uns

wozu jetzt noch leben

worauf vertrauen

zu viel selbst verschuldet

in Unordnung gebracht

alles ein Irrtum?

Was können wir noch erwarten

wenn der, der unsere Erwartungen mit Leben erfüllte

ausgemerzt wurde?

Da hinein

kommst DU

ohne Vorhaltung, ohne Moralpredigt, ohne Verachtung

zeigst deine Wunden und Male

und erfüllst dein Wort

und wünschst uns

dass wir es in unserer Ganzheit leben,

dass uns deine Auferstehung nicht untergehen lässt

sondern von innen her: sanft, vorsichtig, langsam wieder aufrichtet

damit Shalom kein leeres Wort bleibt:

Der Friede sei mit Euch

 

Sylvia Ditt

Koblenz, 11. April 2024